Hoffnung ist der Pfeiler der Welt!
50 Jahre UNO

Groß war die Euphorie, als am 26. Juni 1945 die Delegierten aus 50 Nationen in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen unterschrieben. Im Sinne Kants, der 1795 die Gründung eines Völkerbundes forderte um "alle Kriege auf immer zu endigen" wurde eine Organisation aus der Taufe gehoben, die sich den Weltfrieden auf die Fahne geschrieben hatte. Von Anfang an war dabei klar das es zur Schaffung dieses Friedens auch militärischer Mittel bedürfen werde. Alle Mitgliedsstaaten sollten dem Sicherheitsrat bei Bedarf Truppen zur Verfügung stellen, "um künftige Generationen vor der Geisel des Krieges zu bewahren" (US-Präsident Truman). Eine Vorstellung von der der amtierende UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali in jüngster Vergangenheit gerne wieder träumt. Doch dazwischen lag der Kalte Krieg, der die Anfangseuphorie schnell abkühlen ließ und dank des Vetorechts der Supermächte den Sicherheitsrat lähmte. Auch durch die Beendigung des Ost-West-Konflikts sind die Problemde der Vereinten Nationen nicht geschrumpft, im Gegenteil sie scheinen gravierender als je zuvor. Nach den Fehlschlägen der "peacekeeping"-Missionen in Ruanda, Somalia und Bosnien steht die Durchsetzungkraft der UNO stark in Frage, hinzukommen die Finanzkrise und die Mißstände in der UN-Bürokratie. So wird der Ruf nach Reformen immer lauter, Reformen in allen Bereichen, vom Finanzwesen bis zum Sicherheitsrat. - Friedensmissionen - In der Charta der Vereinten Nationen ist von "peacekeeping" keine Rede. Erst 1956 nach der Suez-Krise vom damaligen Generalsekretär Dag Hammarskjöld ins Leben gerufen, sind die friedenssichernden Missionen zur Messlatte für die UN geworden. Ihr Erfolg bzw. Mißerfolg beeinflußt maßgeblich die öffentliche Meinung. Mit der Zunahme der Missionen stieg auch das Risko der Fehlschläge. Während in den ersten 43 Jahren gerademal 13 "peacekeeping operations" initiiert worden, waren es seit 1988 derer 21. Während noch 1990 "nur" 10000 Blauhelme im Einsatz waren, so trugen im vergangenen Jahr 75000 Soldaten den blauen Überzieher. Dabei ging die UNO Missionen ein, deren Erfolgaussichten von vornherein mäßig waren und versuchte hohe Erwartungen mit unzureichenden Mitteln zu erfüllen. Seit dem Zusammenbruch des Ostblockes entfesseln sich mehr und mehr regionale, teils innerstaatliche, Krisenherde, motiviert durch religiösem, ethnischen oder nationalistischen Wahn. Eine neue Welt(un)ordnung ist entstanden, die, so Ghali, "noch nicht ganz verstanden ist". Diese insofern vorprogrammierten Fiaskos wurden der Weltöffentlichkeit dank der modernen Kommunikationstechnik in unappetitlichen Happen brühwarm zum Abendbrot serviert. Die Folge ist ein tiefes Mißtrauen gegenüber den Vereinten Nationen und der Entsendung von Truppen unter ihrem Kommando. Dabei sind die unbestrittenen Erfolge der Weltorganisation in Vergeßenheit geraten, die Entkolonisierung, die Versorgung von 30 Millionen Flüchtlingen oder die Garantien von freien Wahlen, u.a. in Namibia, Haiti und Nicaragua, aber auch friedensichernde Maßnahmen wie in Kambodscha, Mosambique oder El Salvador. Unverändert geblieben sind die Grundsätze für "peacekeepin-operations": die Zustimmung der Konfliktparteien, die Unparteilichkeit und die Nichtanwendung von Gewalt, außer zur Selbstverteidigung. Wo immer diese Grundsätze überschritten worden, blieb der Erfolg der Mission meißt aus, wie zuletzt in Bosnien. Für die Zukunft bedeutet das die Rückkehr zu Beschlüssen, die klar das Ausmaß und die Dauer der Einsätze umreißen sowie ein entschlossenes Vorgehen in den Fällen, in denen man sich zum Engagement entschließt. Dennoch werden auch die kommenden Blauhelmeinsätze "keine Schönwetterveranstaltungen" (Klaus Kinkel), sondern die UNO immer wieder vor Probleme stellen. - Bürokratie - Neben toten Blauhelmsoldaten ist es immer wieder die Bürokratie, die den Vereinten Nationen einen Negativstempel aufdrückt. Da sitzen Übersetzer für alle sechs UN-Sprachen in Sitzungen bereit, in denen nur Englisch gesprochen wird. Alle Dokumente werden in diese sechs Sprachen übersetzt, Kostenpunkt: 800 $ pro Seite. Im UN-Haushalt für 1994/95 finden sich 52000,- $ für Untersuchungen der Apartheid, obwohl diese mit den Wahlen im April 1994 abgeschafft wurde. In Mogadishu verschwinden 3,9 Millionen $ aus einem UN-Schrank und bei den Untersuchungen kommt heraus, daß vermutlich UN-Personal in den Diebstahl verwickelt ist. " Die Vereinten Nationen sind ein Unternehmen mit 185 Vorstandsmitgliedern, die oft widersprüchliche Interessen haben. Jeder hat einen anderen kulturellen Hintergrund und spricht eine andere Sprache. Und jeder hat einen Schwager der arbeitslos ist", diese Beschreibung der US-Botschafterin bei den VN Madeleine Albright zeigt deutlich die weitverbreitete Versorgungsmentalität und Verschwendungssucht im Glaspalast am Hudson-River. Dem entgegenzuwirken muß eine der Hauptaufgaben innerhalb der UNO werden, wenn die Weltorganisation nicht weiter an Glaubwürdigkeit verlieren will. -Finanzkrise- Verschwendung kann sich die UNO zur Zeit am wenigten leisten. Mit 2,8 Milliarden US-Dollar stehen die Mitglieder in der Kreide. Der größte Schuldner sind die Vereinigten Staaten mit 1,18 Milliarden, gefolgt von Russland und der Ukraine. "Wir sind praktisch pleite", ist denn auch die Schlußfolgerung von Boutros-Ghali zum Auftakt der 50. Generalversammlung. Hintergrund der schlechten Zahlungsmoral der USA ist deren Wunsch nach einem neuen Schlüssel zur Verteilung der Kosten. Bisher trugen sie 25 % des UN-Budgets, in Zukunft sollen es nur noch 20 % sein. Hinzu kommt das rampunierte Ansehen der UN bei den US-Amerikanern; in keinem anderen westlichen Land ist sie so unpopulär. Im US-Wahljahr '96 bildet sie somit das gefundene Fressen für die neu erstarkten Isolationisten, vor allem unter den Republikanern. Doch auf der anderen Seite bildet sich eine Gegenfront, bestehend aus den Staaten, die es Leid sind die Schuldenberge anderer, insbesonder reicher Industriestaaten, mitzutragen. "No representation without taxation" wetterte der brittische Premier John Major auf der 50-Jahr-Feier und drehte damit den 200 Jahre alten Schlachtruf der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung um. Auf der Suche nach neuen Geldquellen rückt derweil einer der zuverlässigsten Beitragszahler immer mehr ins Rampenlicht, zumal dieser sich anschickt einen ständigen Platz im Weltsicherheitsrat einzufordern. Die Bundesrepublik Deutschland trägt derzeit einen Anteil von 8,93 Prozent des Jahresbudgets und steht dabei schuldenfrei da. Für den begehrten Platz im wichtigsten Gremiun der Vereinten Nationen wird Deutschland, wie auch Japan, mehr zahlen müssen, auch wenn das offiziell niemand bestätigen wird. Wen verwundert es da noch das die USA so engagiert Deutschlands Bestrebungen unterstützen. Die Zeit für grundlegende Reformen ist gekommen, aber bei allen Kritikpunkten am Zustand und Handeln der Vereinten Nationen bleibt die Frage, was wäre wenn es sie nicht gebe ? Niemand wird hier erntshaft bezweifeln, das sich die Gesamtbilanz der letzten 50 Jahre sehen lassen kann. Wenn Mitglieder von einem "inkompetenten Instrument" (Jesse Helms, Chef des außenpolitischen US-Senatsausschußes) sprechen, so ist ihnen entgegenzuhalten, daß sie die Vereinten Nationen sind und diese nur so stark und effektiv seien können wie es der politische Wille der Mitglieder zuläßt. Wer von der UNO Kompetenz erwartet, ist auch dazu verpflichtet seine Beiträge zu zahlen, damit Kompetenz auch in Taten umgesetzt werden kann. Wer Reformen verlangt, ist auch dazu aufgefordert , bei deren Umsetzung mitzuhelfen und sie nicht zu blockieren. Eine Expertenkommission unter Vorsitz von Richard v. Weizsäcker hat jüngst einen UN-Reformplan vorgelegt. Er sieht unter anderem eine Erweiterung des Sichereheitsrates von fünf auf zehn ständige Mitglieder vor sowie eine Beschränkung des Vetorechts auf Beschlüsse zur Friedensbewahrung und erzwingung. Ferner soll dem UN-Generalsekretär eine Streitmacht von 10 000 Mann direkt unterstehen. Für zusätzliche Einnahmen sollen besondere Zeichnungsrechte des Internationalen Währungsfonds sorgen. Diese und andere Punkte sollen die UNO fit machen für das nächste Jahrtausend. An ihrer Umsetzung hängt aber nicht nur Glaubwürdigkeit der UN selbst, sondern vor allem die ihrer Mitglieder. Klaus Kinkel beschrieb die Vereinten Nationen bei seiner Rede vor der 50. Generalversammlung als eine "Hoffnungspfeiler" für die Welt, bei einem Scheitern dieser Hoffnung würden die Menschen "den ewigen Frieden in dem weiten Grabe finden, das alle Greuel der Gewaltätigkeit samt ihren Urhebern bedeckt" (Kant).

aus: fOLIUM 3/95