fOLIUM: Die UNO soll reformiert werden. Welche Reformen sind Ihrer Ansicht
nach notwendig ?
Delbrück: Das die UNO Schwierigkeiten haben ist unübersehbar. Das beginnt
bei den Finanzen. Nicht nur das die Vereinten Nationen nicht alle Beiträge
erhält, die ihr zustehen, selbst mit den ihr zustehenden käme sie ja nicht
aus. Die Einsätze in Jugoslawien, Kambodscha und Somalia - alle in einem Jahr
-, das sind gewaltige Kosten, vor allem wenn man davon ausgeht, daß die UN
auch noch andere Ausgaben hat. Die Erwartungshaltung an die Vereinten Nationen
ist also gewaltig gestiegen, die Akzeptant dafür das die UNO was tun muß auf
der anderen Seite, da muß noch dran gearbeitet werden. Das heißt auf der einen
Seite man wird darüber nachdenken müssen, wie zu mehr Geld kommt, bspw. durch
Besteuerungen. Zum anderen, wie man Geld spart, z.B. durch Abbau der Bürokratie,
die sich in vielen Bereichen überlappt, oder aber auch durch Streichung von
Leistungen. Das ist der eine Gesichtspunkt. Der zweite Gesichtspunkt, sind
die Strukturen und die Frage, inwieweit diese in Ordnung sind ? Ich bin immer
sehr skeptisch wenn man an Strukturen bastelt. Von institutionell, strukturellen
Reformen halte ich daher nicht viel. Sie sind auch schwer durchzusetzen, denn
um sie zu kippen, braucht sich ja nur ein Mitgliedstaat zu weigern sie zu
ratifizieren, schließlich bedeutet das ja immerhin die Änderung der Charta.
Also mir scheinen daher eher Reformen erforderlich im Sinne der Politikreform,
soll heißen, die Akzeptant durch die Mitgliedstaaten, dessen was sie mal unterschrieben
haben, und das ist eine ganze Menge. Die Aufgaben stehen in der Charta und
da muß man halt auch mal ernst machen mit dem was darin steht. Institutionelle
Reformen halte ich daher für weniger wichtig als eine Reform der Politik und
der Finanzen.
fOLIUM: Sollte der Sicherheitsrat erweitert werden und wenn ja sollte die
Bundesrepublik einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstreben?
Delbrück: Erster Punkt, ob man den Sicherheitsrat noch etwas größer macht,
daß ist sicher eine wichtige Frage, doch die Antwort hängt davon ab, wie effizient
man arbeiten will. Je größer desto schwieriger wird es. Bei 20 ist wohl spätestens
die Obergrenze erreicht. Was die Bundesrepublik Deutschland angeht, bin ich
der Meinung wir sollten erst mal lernen, was für eine Rolle wir international
haben. Solange sich die Bevölkerung nicht darüber im klaren ist, was es bedeutet
diese Verantwortung zu übernehmen, solange sollten wir nicht danach streben
sie zu übernehmen. Ich weiß das das zur Zeit unpopulär ist, aber ein Staat
der sich so unheimlich schwer tut seinen Aufgaben innerhalb der UNO nachzukommen,
so ein Staat kann nicht den Anspruch erheben im Sicherheitsrat eine führende
Rolle zu spielen.
fOLIUM: Die Zahl der UN-Missionen ist in den letzten Jahren ständig gestiegen.
In welcher Weise sollte sich die Bundeswehr daran beteiligen?
Delbrück: Zunächst einmal: sie soll - weil das einfach auch von uns erwartet
wird. Aber sie kann nicht überall. Es gibt Regionen in den auf Grund unserer
Geschichte ein Einsatz nicht ratsam erscheint, daher muß man vorsichtig sein,
wo man sich engagiert. Aber solche Bedenken werden ja zunehmen weniger wichtg.
Es müssen aber die Konsequenzen bzgl einer Beteiligung gezogen werden. Das
bedeutet, dass man militärische Aufgaben auf bestimmte Kontingente der Einheiten
der Bundeswehr überträgt und das diese auf derartige Einsätze speziell vorbereitet
werden. Es sollten jedoch keine Wehrpflichtigen eingesetzt werden, sondern
derartige Aufgaben müssen wirklich Berufssoldaten in besonderen Einheiten
übertragen werden, und bei diesen Einsätzen muß jeder wissen, dass er darauf
vorbereitet und ausgebildet wurde.
fOLIUM: Der UNO droht aus finanziellen Gründen die Handlungsunfähigkeit.
Gibt es rechtliche Möglichkeiten die Beiträge einzufordern?
Delbrück: Ja, sie können jemand der mit zwei Jahresbeiträgen im Rückstand
ist das Stimmrecht entziehen. Aber versuchen sie mal, beispielsweise den Vereinigten
Staaten zu untersagen, abzustimmen. Man hat sogar mal versucht gegenüber Frankreich
und der Sovietunion das durchzudrücken. Das war in der sechzigern während
der Kongo-Mission, als die beiden Staaten aus Kritik nicht zahlen wollten.
Was sie dann gemacht haben, war sie zwar nicht abstimmen zu lassen, aber es
wurde auch nicht abgestimmt. Man arbeitete dann im sogenannten Konsensverfahren.
aus: fOLIUM 3/95